Memento Mori

 

Memento mori

Was geschah bloß?

Was geschah bloß, dass die Zeit plötzlich die Beine in die Hand nahm und sich dazu entschied wegzurennen? 

Was geschah mit unserer Unschuld, mit unserer Freude und unserem Lachen?

Wann wandelte sich unser Lächeln zu Tränen und unser Beisammensein zu der letzten Umarmung?

Wir waren doch eben noch Kinder,

wir waren doch eben noch klein und unwissend.

Wir hielten doch gerade erst unsere Schultüte in der Hand. 

Ich habe dir doch gerade eben erst den ersten Blick zugeworfen,

und jetzt stehen wir hier, Arm in Arm und weinen um unsere Zukunft. 

Nicht, weil diese nicht großartig wird,

doch weil wir nicht mehr zusammen sein werden.  

Ein neuer Lebensabschnitt.

Aufregend, wansinnig aufregend und unglaublich schön. 

Und doch auch unglaublich beängstigend.

Ich wünschte ich könnte alle Erinnerungen wie in einem Fotoalbum in meinem Gehirn abspeichern.

Ich wünschte diese kleinen Videos in meinem Kopf würden niemals enden.

Doch in diesem Moment, in dem ich in in all euren Armen liege, schließe ich meine Auge und ich erinnere mich.

Ich erinnere mich. 

Ich erinnere mich an uns.

Ich erinnere mich, wie wir auf Inlinern in Richtung Sonnenuntergang fuhren, der Wind in unseren Haaren und der Sommergeruch in unseren Nasen.

Wie ich bei jedem kleinen Stolperer lachend aufschrie und mich an einen von euch klammerte, denn ich konnte nicht einmal fahren. Doch ihr ermutigte mich, sagtet ich dürfte einfach nicht hinfallen. 

Wie wir wie in einer Polonäse zu der Musik gefahren sind, rein in die Nacht und fern von allem was uns fremd war. 

Ich erinnere mich, wie wir im Regen lachend tanzten, unter verurteilenden Blicken der anderen Leute.

Doch es war uns egal. 

Wir hatten uns und das genügte. 

Wir tanzten ohne Musik nur zu dem Geräusch des Regens und dem Donner, und wir hörten erst auf, als uns dieser Donner einholte.

Ich erinnere mich, wie wir grölend in das Karaokemikrofon sangen unter Beifall der anderen Leute in dieser Bar. 

Wie wir tanzten und die fremden Leute sich anschlossen.

Wie wir bis zum Morgengrauen über unsere Geschichten lachten.

Ich erinnere mich, wie wir uns weinend in den Armen lagen und uns von unseren Problemen erzählten.

Wie wir uns sanft beruhigend über den Rücken strichen.

Wie es immer jemanden gab der uns zuhörte und uns zum lachen brachte.

Wie plötzlich alles wieder gut war, egal wie schlimm es schien.

Ich erinnere mich, wie das Adrenalin durch unseren Körper pumpte, als wir die Konzerthalle betraten. 

Wie faszinierend alles war, wie laut die Musik, wie bunt das Konfetti. 

Wie unsere Stimmenbänder heiser- und unsere Körper erschöpft waren nach dem vielen Singen und Tanzen. 

Ich erinnere mich, wie wir im Hotelzimmer saßen und Pizza aßen, in voller Aufregung auf das Festival. 

Wie wir mit unserem Taxifahrer die Songs anstimmten die gespielt werden würden, wie wir durch Belgien rasten.

Auch hier der Wind in unseren Haaren und ein Lachen in unseren Gesichtern.

Wie wir um unser Leben rannten als die Tore sich öffneten, alle Hand in Hand, und wie wir uns jederzeit umeinander kümmerten. 

Ich erinnere mich, wie wir feierten als uns der Kuchen gelang.

Wie wir Baseball mit einem Ei und einem Schneebesen spielten.

Wie wir uns über das Zubereiten der Kekse stritten, uns abwarfen mit Dekoration und gelangweilt alles mit Zuckerguss anpinselten.

Ich erinnere mich, wie wir all diese Momente wiederholten.

Ich erinnere mich, wie wir uns immer sicher fühlten, wenn wir beieinander waren. 

Memento Mori.

Sei dir der Sterblichkeit bewusst. 

Eingraviert auf meiner Haut als Tattoo. Sobald uns bewusst wird, dass wir sterblich sind und alles ein Ende hat, dann wird uns auch bewusst, dass wir den Tag nutzen sollten. 

Carpe Diem. 

Und auch wenn wir erwachsen sind, auch wenn wir aktuell das Lachen gegen Tränen getauscht haben, auch wenn wir nicht mehr die Unschuldigen sind, und auch wenn wir nun hier Arm in Arm stehen, es ist nur temporär. Es wird wiederkommen.

Anders als wir dachten, anders als wir erwarteten und anders als es war, doch es wird wieder sein. 

Denn ein neuer Lebensabschnitt bedeutet nicht das Ende, es bedeutet den Anfang.