Der Klang unserer Stimmen
Der Klang unserer Stimmen
Meinungsfreiheit. Substantiv, feminin [die]. Das Recht, die persönliche Meinung, vor
allem in politischer Hinsicht, äußern zu dürfen. So steht es als Definition
niedergeschrieben. Doch was steht hinter diesem Satz? Ein Versprechen? Ein Grundsatz?
Denn Versprechen können gebrochen-, und Grundsätze moralisch umgangen werden.
Und genau das passiert in einigen Ländern außerhalb von Deutschland. Deswegen ist die
Meinungsfreiheit in Deutschland so essenziell, wie es das Wort schon sagt. Wir sind frei
unsere Meinung kundzutun. Das ist Macht. Macht, welche wir nicht immer nutzen.
Der Klang unserer Stimmen ertönt noch immer zu selten. Aus Angst. Angst vor
anderen Meinungen, die uns entgegenkommen, denn nicht nur wir besitzen diese Macht,
Andere tun es auch. Sprache ist eine Waffe und dieses Mittel wird gegeneinander
eingesetzt.
Diese Art von Auseinandersetzung kann auch zu einem Krieg der Worte führen, und
damit zu einer Grenze der Meinungsfreiheit.
Unsere Meinungen machen uns als Menschen aus, sie formen uns, unseren Charakter,
unsere Geschichten. Wir beeinflussen die Geschichten unserer Mitmenschen, es
geschieht durch die Vibrationen unserer Stimmbänder, den Klang unserer Stimmen, die
Wahl unserer Worte.
Wir haben die Macht mit unseren Worten, unsere Meinungen preiszugeben. Und
unsere Meinungen haben die Macht, eine Reaktion hervorzurufen. Ein schnelles Lächeln,
wohlmöglich ein schelmisches Grinsen, oder gar ein herzhaftes Lachen. Doch ebenso
können sie zu Tränen, Schmerz und Leid führen.
Doch gibt es auch Grenzen der Meinungsfreiheit, sowohl rechtlich als auch moralisch.
Für die rechtliche Seite ist das beste Beispiel die Verleumdungen. Wenn die Meinung zu
einer Anklage wird, und diese Anklage zu einer Verletzung einer Person, dann ist dies
justiziabel und nicht gestattet. Und auch hier greift schon eine moralische Grenze.
Wollen wir unsere Meinungen denn wirklich umwandeln in Anschuldigungen? Wollen
wir etwas Positives in etwas Negatives wandeln?
Ein Beispiel für eine moralische Grenze der Meinungsfreiheit ist Jana aus Kassel. Sie
übertrat eine moralische Grenze, indem sie sich selbst mit Sophie Scholl verglich. Jana
war der Meinung, dass die Corona Politik der Regierung, der nationalsozialistischen
Regierung entsprach, und sie die heutige Sophie Scholl wäre, da sie dagegen ankämpft.
Solch eine Meinung ist nicht nur dreist, sondern auch respektlos mit Hinblick auf die
Historie.
Doch auch auf der Gegenseite wird die Meinungsfreiheit bis zum Anschlag ausgereizt.
Kritiker von Jana bemängeln nicht nur ihre Aktion selbst, sondern auch ihr ganzes
Wesen. Ihre persönlichen Merkmale. Meinungen, die sie als Person niedermachen, ihren
Wert in Frage stellen. Es ist nichts weiter als Hass und ein psychischer Angriff.
Freiheit. Substantiv, feminin [die]. Zustand, in dem jemand sich in seinen
Entscheidungen nicht eingeschränkt fühlt. Der Zustand der Autonomie eines Subjektes.
Doch der Klang unserer Stimmen, welche unsere Meinungen in sich tragen, erreichen
keinen jemand, kein Subjekt. Sie erreichen einen anderen lebenden Menschen, ein
anderes Individuum, das genauso einzigartig ist wie wir. In dem Moment, in welchem
wir die Meinungsfreiheit nutzen, um Hass und Unmut zu schüren, schränken wir diesen
Menschen in seiner Freiheit ein. Denn diese Person wird nun Angst haben, den Klang seiner Stimme ertönen zu lassen. Die beißende Angst vor solchen Gegenreaktionen. Diese
Person schränkt ihre eigene Freiheit selbst ein, um sich vor dem Wirbelsturm aus
tausenden von Klängen zu schützen.
Wir nutzen die eine Variante von Freiheit, um eine
andere damit zu zerstören.
Wer diese Freiheit ausnutzt für eine Entschuldigung oder eine Rechtfertigung, um
anderen psychisches Leid anzutun, ist nicht besser als die Menschen, die der Auslöser
für dieses Gesetz waren. Jene Menschen, die Unterdrückung und Schweigen zu ihren
Gunsten vorziehen.
Also lasst uns die so verschiedenen Klänge unserer Stimmen nutzen, um die
einmaligen Kapitel des Lebens von Anderen positiv zu beeinflussen.
Lasst den Klang unserer Stimmen ertönen, lasst sie die Freiheit nutzen für die
Menschen, die dieses Gut nicht besitzen.
Lasst den Klang unserer Stimmen ertönen, um zu kämpfen. Für unsere Rechte, unsere
Gesellschaft, und vor allem für die Millionen anderen Leute, die nicht für sich kämpfen
können.
Denn der Klang unserer Stimmen kann etwas auslösen, er kann etwas verändern. Er
kann Kriege anzetteln und Frieden stiften, er kann gehört und unterstützt- oder
ignoriert- und unterdrückt werden.
Doch leider kann er uns auch unsere eigene Freiheit nehmen, sobald wir die
gegebenen Umstände als selbstverständlich betrachten. Denn leider ist die
Meinungsfreiheit keine Selbstverständlichkeit, sie ist ein Geschenk. Ein Geschenk,
welches wir mehr schätzen sollten, es ist ein Geschenk, welches uns mit einem
demokratischen System Freiheit bietet. Ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Denn der Klang unserer Stimmen wird nicht überall geduldet.
Während wir
analysieren, kritisieren und favorisieren, schweigen andere Menschen und lassen ihren
Klang verstummen oder leiser werden. Für diese Menschen ist Stillschweigen eines ihrer
wichtigsten Güter. Aus Angst. Das Gefühl von Sicherheit liegt hier in der angespannten
Stille oder in einem leisen Flüstern.
Doch diese Angst ist anders, es ist keine Furcht vor Widerworten, ist keine Angst vor
der Sprache als Waffe. Es ist die beißende Gewissheit, dass auf ihre Meinung Taten
folgen. Der Tod folgt. Oder eine jahrelange Haft. Oder auch Folter.
Während ich im Politikunterricht sitze, vertieft in eine Diskussion über die
diktatorischen Regierungen, während ich kritisiere und hinterfrage, sitzt irgendwo ein
anderes Mädchen und würde gerne dasselbe tun. Doch während ich zufrieden mit
meiner Note nach Hause gehe und der Klang meiner Stimme mein Lieblingslied
anstimmt, muss dieses eine Mädchen, wie auch so viele andere, die Konsequenzen vor
diesem Klang fürchten. Offen im Unterricht und hinter verschlossenen Türen. Noten für
eine sinnvolle Argumentation gegen eine diktatorische Regierung, und Verfolgung bis
hin zu einer Hinrichtung. Ein melodisches Lied und ein angstvoller Hauch von Worten.
Unterdrückung. Substantiv, feminin [die]. Es ist die einem Individuum, einer
Gesellschaft oder Menschengruppe leidvoll zugefügte Erfahrung gezielter Willkür,
Gewalt, und des Machtmissbrauchs.
Ganze Länder sind von solch einer Repression betroffen. Menschen mit den besten
Überzeugungen, Personen, die die Welt verändern können, werden weggesperrt,
Menschenmassen aufgrund von Protesten aus dem Weg geräumt, Propaganda an jene
verbreitet, die sich dem Willen und den Meinungen anderer nicht beugen wollen. Diese
Menschen sind nicht frei, sie sind gekettet an ein vorgeschriebenes Skript das festlegt,
was sie äußern dürfen und was nicht.
Und der Klang, das Flüstern, ihrer Stimmen ändert sich.
Der Klang unserer Stimmen ist hoffnungsvoll, trägt den Geschmack von Freiheit, von
Privilegien prickelnd auf der Zunge.
Ihr Klang ist monoton, grau, leidend und der letzte Schimmer Hoffnung in ihm, ist der
verzweifelte Hilfeschrei, der in ihren Stimmbändern steckenbleiben muss. Denn es
heißt, entweder zersetzt er sie von innen oder sie werden von anderen Stück für Stück
zersetzt.
Von ferner Distanz können sie uns vielleicht hören. Vielleicht hören sie den Klang
unserer Stimmen, der ihre Meinung in die Welt hinausträgt. Der für sie einsteht. Ein
Klang wird zu einer Melodie aus hunderten von Klängen, die Melodie wandelt sich in
einen Gesang von Tausenden und dieser Gesang schwillt irgendwann zu einem
melodischen Chor von Millionen an. Ein Chor, der ihre Botschaft in die Welt trägt bis zu
ihnen. Bis hin zu ihrer kleinen Zelle aus Schweigen, Flüstern und Lächeln.
Womöglich werden unsere Strophen in einer sanften Windbrise zu ihnen gelangen,
möglicherweise wird die Melodie von einzelnen Spottölpeln aufgegriffen und
weitergetragen. Und eventuell wird uns Gehör geschenkt.
Zuhören. Verb. Seine Aufmerksamkeit zuwenden, hörend in sich aufnehmen.
Jedoch hören wir nicht zu, wir tun nur so.
Auf die Frage, ,,Na, wie geht’s?“, antworten wir meist automatisch mit ,,Gut und dir?“
Doch oft ist dies nicht ehrlich, denn wir hören nicht richtig hin.
Die Phrase war im Wandel und ist zum Smalltalk geworden, doch beinhaltet sie ein
ernstes Interesse an dem Zustand eines Menschen. Wenn wir die Frage
missinterpretieren, so wird unsere Antwort zu einem ausflüchtigen Satz, der wie ein
Sprung in einer Platte immer und immer wiederholt wird.
Mit der Meinungsfreiheit ist dies das gleiche Problem. Man fragt nach einer Meinung,
doch manchmal bekommt man nur eine schnelle, nicht wirklich überzeugte Aussage
zurück.
Wir müssen unsere Freiheit ernster nehmen. Wir müssen realisieren, dass wir
privilegiert sind. Wir müssen lernen, wie man richtig zuhört und darauf eingeht.
Manchmal muss der Klang unserer Stimmen schweigen, damit wir aufmerksam
zuhören können.
Denn erst wenn wir Probleme vertiefen, können wir sie auch wirklich
lösen.
Erst wenn wir den Klang anderer Stimmen in uns aufnehmen, kann sich unser eigener
Klang vollständig entfalten.
Also welche Botschaft auch immer du in dir trägst, lass sie raus in die Welt mit voller
Überzeugung. Stehe für das ein, an was du glaubst. Solange du niemanden schadest, auf
welchem Wege auch immer, kämpfe dafür. Verändere die Geschichten, die Perspektiven
und die Weltanschauung Anderer.
Nutze deine Freiheit.
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